Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass in Deutschland zu wenig Obst und Gemüse gegessen wird. Ist das ein Problem?
Leider ja, denn viele langfristig angelegte Studien haben gezeigt, dass der Obst- und Gemüseverzehr ein ganz wesentlicher Faktor ist, um den Alterungsprozess zu verlangsamen und das Risiko für viele Erkrankungen zu mindern. Und leider ist der mangelnde Konsum ja oft gepaart mit weiteren Ernährungsdefiziten. So wird in der Regel zu fett- und zuckerreich gegessen. Und wenn man dann noch weder im Beruf körperlich arbeitet noch in der Freizeit ausreichend viel Sport treibt, führt ein Zuviel an Energie fast zwangsläufig zu Übergewicht. Durch mehr Obst und Gemüse könnte man gesundheitliche Risiken zumindest teilweise ausgleichen.
Welche Folgen hat es denn, wenn man zu wenig Obst und Gemüse isst?
Die langfristige Minderversorgung mit Obst- und Gemüse kann zu gesundheitlichen Problemen wie körperlichem und geistigem Leistungsabfall, Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen führen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat konstatiert, dass ein gesteigerter Verzehr von Obst und Gemüse das Risiko für Krebserkrankungen, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheiten und Schlaganfall senken kann. Viele Studien zeigen, dass offenbar auch die Risiken für Demenz, bestimmte Augenkrankheiten wie Makuladegeneration, rheumatische Arthritis, Osteoporose, bestimmte Lungenkrankheiten und Fettleibigkeit gesenkt werden kann, wenn man viel Obst und Gemüse in seinen Speiseplan einbaut.
Was macht Obst und Gemüse so gesund?
Es sind natürlich die vielfältigen Mikronährstoffe im Obst und Gemüse, welche die positiven Wirkungen auf unsere Gesundheit haben. Aber es geht hier weniger um die Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente – die natürlich auch, aber die kann man auch über Fleisch, Fisch oder Milch aufnehmen. Entscheidend sind vielmehr die sogenannten „sekundären Pflanzenstoffe“. Diese sind nur in Obst und Gemüse bzw. wie der Name schon sagt, in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten.
Was sind sekundäre Pflanzenstoffe?
Sekundäre Pflanzenstoffe sind Substanzen, mit denen die Pflanze sich gegen widrige Umstände wappnet. Zum Beispiel der rote Farbstoff Lycopin, der die Tomate gegen UV-Strahlen schützt, oder Bitterstoffe wie Glucoraphanin im Brokkoli, die Fressfeinde abschrecken. In zahlreichen Studien hat man herausgefunden, dass diese sekundären Pflanzenstoffe eine positive Wirkung auf die menschliche Gesundheit haben. So haben viele Sekundäre Pflanzenstoffe eine antioxidative Wirkung, schützen also unsere Körperzellen vor Schäden durch freie Sauerstoffradikale. Andere Pflanzenstoffe wirken antientzündlich oder können eine Krebsentstehung hemmen. Wieder andere schützen unsere Blutgefäße und können mithelfen, den normalen Cholesterinspiegel aufrecht zu erhalten.
Und wieviel Obst und Gemüse sollte man demnach pro Tag verzehren?
Die DGE empfiehlt den Verzehr von fünf faustgroßen Einheiten Obst und Gemüse täglich. Eine solche Einheit wäre zum Beispiel ein Apfel, ein kleiner Salat oder zweieinhalb Tomaten. Eine aktuelle Studie aus England, bei der das Ernährungsverhalten von 65.226 Briten über viele Jahre untersucht wurde, kommt zu dem Schluss, man sollte besser sieben Einheiten pro Tag verzehren und die Weltgesundheitsorganisation WHO schlägt sogar neun vor.
Jetzt mal ehrlich: Ist das realistisch?
Leider nein, wie unsere Umfrage gezeigt hat. Bei den bei uns in Deutschland und in Europa üblichen Lebens- und Verzehrsgewohnheiten ist es eher utopisch, eher ein Wunsch, und keine Realität. Denn meist fehlt die Zeit oder die Lust, sich jeden Tag einen Salat zu machen oder sich Obst und Gemüse verzehrfähig zuzubereiten. Aber auch das Außer-Haus-Angebot ist keine wirkliche Alternative. Sowohl in der Betriebs- als auch der Schulverpflegung ist der Gemüse- und Obstanteil viel zu gering. Zudem verhindern bei immer mehr Menschen Nahrungsmittelunverträglichkeiten bzw. die Fructoseintoleranz eine ausreichende Aufnahme von Gemüse und Obst. Und dann gibt es natürlich noch besondere Umstände wie Krankheiten, die mit Schluckbeschweren, Verdauungsstörungen oder Appetitmangel einhergehen. Dieses geringe Hungergefühl ist auch bei vielen älteren Menschen ein Grund dafür, warum sie mangelernährt sind.
Kann man alternativ auch Obst- oder Gemüsesaft trinken?
Theoretisch geht das natürlich auch. Leider ist der Gehalt an Sekundären Pflanzenstoffen in Obstsäften jedoch pro Kalorie sehr gering, denn Obstsäfte sind sehr energie- sprich kalorienreich. Sie enthalten zum Teil mehr Kalorien als eine Cola. Und auch Gemüsesäfte sind in Deutschland keine Lösung. Diese sind aus geschmacklichen Gründen relativ unbeliebt.
Was raten Sie denen, die aus welchen Gründen auch immer die empfohlene Menge nicht schaffen? Kann man die Ernährungslücke mit Nahrungsergänzungsmitteln schließen?
Bei Nahrungsergänzungsmitteln muss man sehr genau hinschauen. Es bringt zum Beispiel überhaupt nichts, eine Multi-Vitamintablette oder ein einfaches Vitalstoffkonzentrat zu nehmen. Denn es mangelt den Leuten, die zu wenig Obst und Gemüse essen, ja nicht in erster Linie an Vitaminen oder Mineralstoffen – ihnen fehlen vor allem die in Obst und Gemüse vorkommenden Sekundären Pflanzenstoffe. Eine Kapsel mit isolierten und synthetisch hergestellten sekundären Pflanzenstoffen hilft ebenfalls nur eingeschränkt, denn Sekundären Pflanzenstoffen wirken wie in der Natur im Verbund am effektivsten. Daher spricht man ja auch gern von der Ampel-Wirkung: Es sollten nicht nur Äpfel sondern möglichst viele unterschiedliche Obst- und Gemüsesorten – rote, gelbe und grüne – gegessen werden. Wer die Ernährungslücke im Bereich Obst und Gemüse schließen möchte, sollte ein flüssiges Vitalstoffkonzentrat nehmen, das die sekundären Pflanzenstoffe wie Phenole, Anthocyane oder Carotinoide ganz konkret ausweist. Bei vielen Konzentraten kann man auf der Verpackung nicht ablesen, wie viele sekundäre Pflanzenstoffe konkret enthalten sind. Eine Ausnahme ist zum Beispiel das Produkt Vitalkomplex Dr. Wolz, mit dem wir bei unserer Arbeit mit Sportlern an der Sportklinik in Bad Nauheim gute Erfahrungen gemacht haben. Die sekundären Pflanzenstoffe werden hier nicht isoliert, sondern in ihrer natürlichen Matrix bereitgestellt. Eine Tagesportion Vitalkomplex (20ml) enthält dabei ähnlich viele sekundäre Pflanzenstoffe wie 800 g speziell ausgewähltes Obst und Gemüse.
Günter Wagner
Der Ernährungswissenschaftler Günter Wagner (Dipl. oec.-troph.) studierte an der Justus-Liebig-Universität Gießen Oecotrophologie und Erziehungswissenschaften. Als Ernährungswissenschaftler ist er Mitglied des Vorstandes im Deutschen Institut für Sporternährung e.V., Campus Sportklinik Bad Nauheim. Im Rahmen der sportmedizinischen Betreuung der Sportklinik Bad Nauheim berät er Leistungs- und Hochleistungssportler sowie Freizeit- und Breitensportler. Im wissenschaftlichen Beirat des VFED (Verein für Förderung der Ernährung und Diätetik) in Aachen, die größte nicht staatlich geförderte Ernährungs- und Diätetikfachorganisation Deutschlands, im Institut für Gesundheitsförderung im Bildungsbereich (IfGB) e.V., Wuppertal, sowie als Mitglied im wissenschaftlichen Kuratorium der Gesellschaft für Gehirnforschung e.V. und der Academy of Balneologie, Health Resort Science, arbeitet er interdisziplinär mit Wissenschaftlern verschiedener Fachbereiche zusammen.
Im stressigen Alltag schaffe ich es leider kaum, genügend Obst und Gemüse zu verzehren. Umso spannender, dass es beim Obst- und Gemüseverzehr nicht nur auf die enthaltenen Vitamine ankommt, sondern vor allem auf die Sekundären Pflanzenstoffe. Das war mir so nicht bewusst. Danke für den spannenden Beitrag!